Mittelaltermarkt - 750 Jahre Stadt Neubulach
Steinmetzhandwerk – Vorstellung
Liebe Gäste,
seit dem frühen Mittelalter zu Anfang des gotischen Baustils benennen die Steinmetze unbrauchbare Werkstücke, deren Bearbeitung misslungen sind – einen „Bernhard“. Dies kann geschehen sein, durch eine verkehrt angelegte Schablone, zu kraftvoller Werkzeuganwendung oder einen nicht erkannten Fehler im Steingefüge. Damals entstand der Brauch solch ein Werkstück symbolisch zu beerdigen.
Dieses Ritual wurde hauptsächlich bei den Zünften der Dombauhütten begangen. Es begann also im Zeitraum der Stadtgründung von Neubulach und wurde als feierlich ernsthaften, aber auch komischen Trauerzug durchgeführt, in dem der „Bernhard“ zum Beerdigungsplatz getragen wird und dort beigesetzt wurde. War der „Bernhard“ beerdigt, hatte der Steinmetz, der dem „Bernhard“ das Leben nahm, dem zufolge den „Leichenschmaus“ zu bezahlen, das wären umgerechnet heute ein Wochenlohn. Die Steinmetze der Gotik mit Ihrer Handwerkskunst konnten hohe technische Anforderungen ausführen und waren damals die bestbezahlten Bauleute Deutschlands.
Nun meine Worte zur Trauerbegleitung:
Wir sind heute zum symbolischen Pflastergrab zusammen gekommen, um unseren geliebten „Bernhard“ zur ewigen Ruhe zu betten. Trauer überwältigt uns, dass so ein besonderer und entscheidender Stein von uns gehen muss.
Schon seine Geburt war ein kleines Wunder. Von skandinavischem Gebirge dank Eissprengungen, Wind und Wasser als Sandkörner über Flusstäler zu uns herüber gekommen. Er wurde aus einzelnen Sandkörnern von ca. 0,01 – 2 mm mit Kieselsäure- Adhäsion bzw. Tonanlagerung zu einem festen Gefüge durch bis zu mehreren hundert Meter Dicke zusammen gepresst.
Dies sind Charakterzüge, die wir Steinmetze an Ihm zu schätzen wissen. Bis zu seinem vollen Erwachsen werden, sind im Zeitalter des Universums ca. 240 Millionen Jahre vergangen. „Bernhard“ war also ein klastisches Sediment – das heißt Ablagerungsgestein, das von Sonne, Wind und Wasser geprägt ist. Er hat sich deshalb nie verleugnet, sondern war ein feldspatführender Buntsandstein. Und obwohl Ihm seine Herkunft aus Neubulach so viel bedeutete, war „Bernhard“ immer offen für neue Anwendungen.
Seien dies oft einfache Werkstücke wie Krautstanden. Bauernzaunpfosten, Blockstufen – Mauersteine oder aufwendige mit höchster Schwierigkeit gearbeitete/gotische Maßwerke, korinthische Kapitelle oder Bildhauerstücke mit menschlicher Abbildung, dies alles hätte aus „Bernhard“ mit seinem homogenen Gefüge entstehen können.
Doch wir wissen alle um sein tragisches Schicksal, denn beim Versuch eine einfache Version nachzuahmen ist er krachend gescheitert. Ach, was soll ich dazu weiter sagen, die Tatsachen sprechen für sich, denn „Bernhard“ ist nur gescheitert, weil ihm seine Fähigkeiten genommen wurden.
Er wurde gebrochen auf roheste Art mit Schrotnut und Spaltkeilen, dann mit Waffengewalt vom zweihändig geführten Zweispitz und Kröndel sowie als Feinbearbeitung mit Scharriereisen und Knüpfel.
Diese die beiden Werkzeuge-haltenden Hände, sind heute unter uns und könnten uns manches erzählen. Doch in dieser schweren Stunde des Abschieds nehmen wollen wir das erhabenste nicht vergessen.
Wir bitten um seine Vergebung – oh seist bedankt mein Herr. Es wäre unfair den Steinmetz beim Namen zu nennen, der den „Bernhard“ zu Fall gebracht hat, denn es war eine Verkettung besonderer Umstände. Lassen wir nun „Bernhard“ zur ewigen Ruhe gleiten. Mit einem letzten Hut ab, und einer Flasche „Steinhauer“-Bier als Grabbeigabe, da die Steinbearbeitung in folge der Staubbelastung oft zu übermäßigem Durst verleitete.
Bildergalerie unserer Vorstellung beim Mittelaltermarkt
